Mehmet Daimagüler – Opferanwalt im NSU-Prozess – zu Gast im PPR

Es sind auch eure Neonazis”, so titelte am 12.September 2013 die Zeit in einem Bericht über den NSU Opferanwalt Mehmet Daimagüler. Anlass, sich zu erinnern. Mehmet Daimagüler machte 1988 sein Abitur am Peter-Paul-Rubens-Gymnasium. Hatte er nicht beim Ehemaligentreffen im Frühsommer 2013 im Brauhaus Siegen angeboten, über seine Anwaltstätigkeit und seine Vita zu berichten? Grund genug, sich mit seinem Büro in Berlin in Verbindung zu setzen. Schnell war, trotz der Dichte der Münchener NSU-Verhandlungstage, ein Termin mit ihm zum Wochenende in seiner alten Schule in Siegen vereinbart.

Los ging`s um 8.30 Uhr. Mehmet Daimagüler schnupperte die ihm noch gut bekannte Gymnasialluft in einem Geschichtskurs der Jahrgangsstufe 11 (EF). Es war ihm wichtig zu vergleichen. Auch damals war sein Lieblingsfach Geschichte mit Fachlehrer Bruno Kühner. 90 Minuten später waren sie alle im PZ: Frau Leonhardt, die damalige Schulleiterin, Frau Riemann, seine Deutschlehrerin, die sich immer noch genau an die besonderen sprachlichen Fähigkeiten des türkischstämmigen Schülers erinnerte und auch besagter Bruno Kühner, der sich bereits im Brauhaus ausgiebig über die derzeitigen Aktivitäten des Top Anwalts informiert hatte. Aus Essen kam der Stellvertreter des Generalkonsuls, Herr Davos. Großes Interesse auch bei den Medien und Entscheidungsträgern Siegens: Fernsehen, Radio und Siegens Bürgermeister, Steffen Mues, waren anwesend. Der Büchertisch der Buchhandlung Mankel Muth fand ebenfalls große Beachtung.

Die Moderation der Veranstaltung übernahm der Vorsitzende der Ehemaligenabteilung, Guido Müller. Souverän und abgeklärt wurden nach dem Eingangsvortrag von Dr. Daimagüler Statements und Fragen der anwesenden Schüler abgerufen.

Das Ausmaß der Gewalttätigkeiten erschreckte alle. Gab es ein Muster, nach dem die Opfer ausgewählt wurden? M. Daimagüler antwortet auf Schülerfragen, auch wenn für ihn selbst vieles nicht zu erklären ist. So z.B. das Verhältnis der Mitbewohner zu Beate Zschäpe. Ihre rechtsradikale Gesinnung musste bekannt gewesen sein. In einem Partykeller in ihrem Wohnhaus hing ein Bild von Adolf Hitler. Regelmäßig waren sie, ihre Freunde und andere dort anwesend. Das musste doch auffallen! Immer waren es die gleichen Mechanismen.

Bis auf die Letztgetötete Frau Kiesewetter, die als Polizistin Symbol für Staatsgewalt gewesen sein könnte, hatten all die anderen 9 Getöteten ähnliche Persönlichkeitsmerkmale: Sie waren Migranten, türkische Männer im reproduktionsfähigen Alter.

Die Schüler fragen nach: Wer waren die Mitwisser? Gab es auch Maulwürfe in den Staatsorganen? Ein klares ja hierzu vom Anwalt. Er berichtet von Mitgliedern der Ku-Klux-Klan-Bewegung bei der Baden-Württembergischen Polizei. Aber nicht immer fielen diese Person auf. Bei 280.000 Beamten im Sicherheitsapparat können sich viele schwarze Schafe – sprich rechtsradikale Täter – verstecken.

Ist die NSU mit der RAF vergleichbar, wollen die Schüler wissen. Daimagüler weicht aus. Ich bin kein Spezialist für die Bewertung der RAF. Der RAF ging es um die Vernichtung von Vertretern der Wirtschaft, den Symbolen des Staates. Die NSU tötet nur, weil die Opfer Menschen sind. Die Familien der Angehörigen sind traumatisiert.Wir brauchen keine neuen Gesetze oder Verschärfungen. Nötig ist nur die konsequente Anwendung der gültigen Gesetze. Dafür und für Gerechtigkeit versprach der 45-Jährige zu kämpfen. Demokratie muss jeden Tag neu verteidigt werden. Das kann nicht nur im Gericht, sondern muss auf der Straße passieren. Die Zuhörer applaudierten nach jeder Antwort lang anhaltend.