Theater AG präsentierte Romeo & Julia
Die Theater-AG des Peter-Paul-Rubens-Gymnasiums führte am 10.Oktober „Romeo und Julia“ von William Shakespeare im Pädagogischen Zentrum auf. Wie kaum ein anderes Stück aus der Feder des elisabethanischen Barden hat die Liebesgeschichte aus Verona ihre generationenübergreifende Faszination über die Jahrhunderte bewahrt. Schon um 1599, als die erste zuverlässige Druckfassung des Dramas, dessen Grundidee wohl auf das von Arthur Brookes‘ 1562 veröffentlichte Gedicht „The Tragicall [sic!] Historye of Romeus and Juliet“ zurück zu führen ist, in Umlauf kam, stand auf dieser unter anderem zu lesen: „as it had sundry times publiquely acted“ (da es schon viele erfolgreiche Male öffentlich aufgeführt worden ist). Und wie in manchen anderen seiner Dramen und Historien lenkte Shakespeare den Blick der Zuschauer hinaus aus dem Raum der englischen Geschichte und des Hoflebens, eröffnete Einblicke auf Norditalien, Dänemark, Rom – aufzeigend, dass viele Probleme, Konflikte, Hoffnungen und Enttäuschungen universaler Natur sind.
So auch die scheinbar unüberwindbare Fehde der Häuser Capulet und Montague, deren Auswirkungen die Stadt Verona in einer Weise zu spüren bekommt, dass die Fürstin persönlich drakonische Strafen ankündigt, sollten die Scharmützel und Schlägereien weiterhin das öffentliche Leben beeinträchtigen. Wenig beeindruckt zeigen sich hiervon die Wortführer Mercutio (Lily Karthaus) auf Seiten der Montagues und Tybalt (Katrina Gobrecht) auf Seiten der Capulets: Wann immer sich die beiden in den Straßen, umgeben von ihren nicht weniger streitlustigen Freunden begegnen, liegt die Anspannung in der Luft, die Eskalation drängt sich auf. Benvolio (Lina Harnisch) zeigt sich als enger Freund Romeo Montagues (Fynn Bjarne Pfeiffer), der sich mehr und mehr abgehoben von dem Getümmel auf der Straße zeigt – ihn beschäftigen andere Sorgen: Er verehrt die schöne Rosaline, die ihm jedoch die kalte Schulter zeigt. Zur Ablenkung empfiehlt ihm der sorgende und nie um eine Antwort verlegene Benvolio, auf das Kostümfest der Capulets zu gehen – in die Höhle des Löwen. Angeregt hat die Feierlichkeit Herr Capulet (Luis Ernst – der recht kurzfristig eingesprungen war und eine souveräne, einem mächtigen Familienoberhaupt würdige Performanz darbot). Capulet möchte die Feier unter anderem dazu nutzen, Paris (Ronja Zurnieden) den jungen Freier seiner Tochter Julia, näher an sie heran zu führen. In großzügigen, nonchalanten Worten zügelt er die Leidenschaft des resolut auftretenden Paris, der am liebsten Julia auf der Stelle ehelichen möchte. Julia Capulet (Isabell Stötzel) zeigt sich zunächst nicht völlig desinteressiert, jedoch ausreichend skeptisch, als ihre Mutter (Hannah Schwiderke) ihr von dem Ansinnen Paris‘ berichtet. Mit jedem Wort und jeder Regung strahlt sie aus, dass sie auf jemand anderen, auf ein anderes Leben hofft, als Paris ihr verheißt. Ihr Herz kann sie bei ihrer Amme (Maja Roth) ausschütten. Die intimen Zwiegespräche zwischen der weisen Dame und Julia setzen einen präzisen Kontrast zu den kühlen Unterredungen der Männer Capulet und Paris.
Vom Beginn der Aufführung wird klar, dass es um mehr als um eine simple Liebesgeschichte geht: Alle Akteure treten zunächst im Einzeltanz auf, adaptieren den Eingangschor des Originals zu einer Choreographie der individualisierten Gemeinsamkeit. Alle tragen ihr Päckchen und ihre Vision – heißen diese auch elterliche, herrschaftliche oder priesterliche Verantwortung, Fürsorge, Loyalität, Streitsucht, Geltungsdrang, Versagensängste oder Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung. Verdichtet wird dieser Eindruck noch einmal zur Mitte des Stücks, als sich die Gegenwartsängste Romeos („Ich habe Angst vor der Englischarbeit“- „Ich habe Angst uncool zu sein“ …) in Person der einzelnen Schauspieler um ihn sammeln und stakkatohaft auf ihn einflüstern. Wieder ist es der eloquente, leichtlebige Benvolio, der Romeo hier aus seinen düsteren Reflektionen reißt und ihn zum Handeln auffordert. (Lina Harnisch bestach in dieser Rolle, indem sie geschickt Ton – und Stimmlage sowie Gestik auf die jeweiligen Gesprächssituationen anzuwenden wusste.)
Nachdem er Julia auf der Kostümfeier trifft und gegenseitige Liebe entflammt, überschlagen sich die Ereignisse. Egal, ob im Mondschein unter dem Balkon der Capulets (an den Lichtreglern Timon Freese), auf dem Weg zu Bruder Lorenzo (Ida Mittendorf), der Romeo und Julia trauen möchte, um dadurch eine Brücke zwischen den verfeindeten Häusern zu schlagen, nach dem rührenden Gang der Amme zu den pöbelnden Montague-Unterstützern Benvolio und Mercutio und ihren Freunden (Antonia Sokolis, Lea Frank), um die Verlobung zwischen Romeo und Julia anzubändeln, bis zur Heiratsabsicht Paris, der den beiden einen Strich durch die Rechnung machen wird.
Alle Versuche Romeos in der Klimax, nun seine hitzköpfigen Freunde von der Einstellung der Fehde zu überzeugen, schlagen fehl. Mercutio, der von Tybald unter dem Applaus seiner Clique (Angy Hassan, Anna Ghazi) erstochen wird, verflucht die verfeindeten Häuser mit seinem letzten Atemzug (Lily Karthaus gelang es hier wie auch in den anderen Auftritten des komplexen Charakters, ihrem Spiel Tiefe und Facettenreichtum zu verleihen); Romeo, mit den zwei Seelen Liebe und Rachsucht in seiner Brust, fällt daraufhin über Tybald her und ersticht ihn heißblütig.
Die folgenden Verbannung Romeos verhindert die Trauung mit Julia. Paris hat nun freie Bahn. Wieder hat Bruder Lorenzo eine Lösung parat. Julia wird mittels eines Präparats – was trägt der Kirchenbruder nur alles in seiner Kutte herum? – in einen scheintoten Zustand versetzt und in der Familiengruft beigesetzt werden. Hier wird Romeo ihre Wiederauferweckung abwarten und sie mit sich ins Exil nehmen können. Ein kühner Plan.
Romeo und Julia – ein Stück, in dem fast jeder das Beste will, aber das Schlechtmöglichste erreicht. In dem Streit und Abgrenzung eo ipso bestehen, keine Erklärung bekommen und für einige geradezu Lebenselixier zu sein scheinen. Erich Kästners Worte „Wenn endlich auf der Welt Frieden herrschte, würden die Menschen anfangen, sich aus Langeweile auf die Schnauze zu hauen.“ drängen sich in den wüsten Auseinandersetzungen zwischen Mercutio und Tybald auf. Ein Stück schließlich, dass jahrhunderteüberdauernde Kernbedürfnisse der Menschheit auf den Punkt bringt – Fürsorge, Loyalität, Liebe.
Dass das Schicksal der Liebenden und ihrer Freunde am Ende tatsächlich die verfeindeten Häuser vereint, scheint ein schwacher Trost, erhärtet aber ebenso eine menschheitsalte Doktrin, die auch dem Barden in der kriegerischen Epoche der Tudors nicht verborgen blieb: Vor jeder Friedensepoche musste im bisherigen Verlauf der Geschichte noch immer ein hoher Blutzoll entrichtet werden. Ein herzliches Dankeschön an die Aufführenden und an die Leiterinnen der Einstudierung, für die Tanzszenen an Frau Trauth, für das Theather an Frau Siebel, die auch als Fürstin Escalus fungierte.
Wir freuen uns auf weitere Aufführungen des begabten Ensembles.